folgende Zusendung veröffentlichen wir gerne:

Debattenbeitrag – 08.März, feministische und antifaschistische Selbstverteidigung

Mit diesem Beitrag wollen wir eine Debatte über feministische und antifaschistische Selbstverteidigung und Offensiven anregen. Wir sehen Lücken aber auch Potentiale. Wir möchten Menschen, insbesondere FLINTA*, mit diesem Text ermutigen und anregen diese Lücken zu reflektieren und Potentiale auszuschöpfen. Keinesfalls soll der Aufwand und die Arbeit, die Gruppen und Einzelpersonen in die Organisierung feministischer Demos und Aktionen gesteckt haben geschmälert oder abgewertet werden. Ziel ist es nicht Frustration zu verstärken, sondern konstruktiv abzubauen und Diskussionen anzuregen. Für eine kämpferische Praxis braucht es aus unserer Sicht solidarische Reflexion und (Selbst-)Kritik.

Zum Hintergrund dieses Textes

Dieses Jahr haben mehrere Veranstaltungen rund um den 08. März in Frankfurt statt gefunden. Unter anderem rief das “Jin Jian Azadi”-Bündnis zu einer Demo unter dem Motto “Take back the night” auf und mobilisierte mehrere hundert FLINTA*.
Es war im Vorhinein bekannt, dass die Route, am Zentrum von Altsachs vorbei, potentiell Auseinandersetzungen mit sich bringen würde. Es gibt Erfahrungen von vergangenen feministischen Demonstrationen die durch Altsachs gelaufen sind, die nicht ohne Konflikte mit Mackern und Fußballatzen blieben. Zudem war für den Tag eine Feier anlässlich 125 Jahre Eintracht Frankfurt angekündigt – mehr muss dazu wohl nicht gesagt werden.

Im Verlauf der Demo kam es immer wieder zu sexistischen und antifeministischen Kommentaren von Menschen, an denen die Demo vorbei gezogen ist. Auch unsere Freunde vom Fußball haben sich dort mal wieder nicht mit Ruhm bekleckert. Auf Höhe Affentorplatz kam es allerdings noch zu einem etwas anders gelagerten Vorfall. Eine Gruppe von vier jungen Männern näherte sich der Demo, es kam zu verbalen Auseinandersetzung. Im Verlauf riefen mindestens zwei der vier “Deutschland den Deutschen, Ausländer raus” – wie sich Später herausstellte, handelt es sich bei den Vier um organisierte Jung-Faschisten, welche immer wieder am Rand von Veranstaltungen auftauchen und gezielt provokant auftreten. Die Situation wurde von Ordner*innen und Bullen aufgelöst. So schön so gut… oder?

Was wir Kritisieren

Leider garnicht so schön und absolut nicht gut. Wir begrüßen sehr, dass die Demo in der Situation angehalten und damit den Dutzend den Rücken freigemacht hat, die aktiv auf die Faschos zu gegangen sind. Auch dieses Engagement muss gelobt werden, denn es sollte Konsens sein, dass wir als Antifaschist*innen in einer solchen Situation reagieren. Obwohl sich die Situation so darstellte, dass von den 3-4 Wannen die die Demo begleiteten und aus dem sich nun 6 Bullen langsam in Richtung des Geschehens bequemten, keine akute größere Eskalation zu erwarten war, entschieden sich einige Ordner*innen dennoch, diejenigen aufzuhalten, die dabei waren, sich den Faschos in den Weg zu Stellen. Mit Worten wie “Lasst das, ihr gefährdet die Demo” oder “Reißt euch mal zusammen”, wurde klar gemacht, dass eine konsequente Reaktion auf die Anwesenheit der vier Typen nicht gewünscht war.

Hieran gibt es aus unserer Sicht mehreres zu Kritisieren. Zum einen halten wir es für fragwürdig, welches Interesse durch die Ordner*innen durchgesetzt wurde, als diese bei der Konfrontation der Faschos einschritten. Als radikale Linke erwarten wir Eigenverantwortung. Das heißt auf der einen Seite, dass Demoteilnehmer*innen sich der Auseinandersetzung mit Faschos, Macker, oder wem auch immer wenn nötig stellen. Auf der Anderen Seite bedeutet es aber auch, das Demo-Orga und Ordner*innen den Teilnehmenden solche Entscheidung zutrauen. Und zwar auf unterschiedlichen Ebenen, sei es die Notwendigkeit einer Reaktion auf faschistische Umtriebe oder die Notwendigkeit eine Eskalation mit Bullen abzuwenden um eine Demo zu schützen, besonders dann wenn sie migrantisch geprägt ist. Wir wollen keine Demos, in denen Ordner*innen eine Rolle von Hilfsbullen zukommt. Weder können Ordner*innen jede Situation mitbekommen, noch tragen sie für jede Situation die Verantwortung, nur weil der Staat es uns als Auflage vorschreiben möchte.
Zum anderen ist es natürlich ein absolutes Unding, dass die Konsequenzen für die Faschisten ausgeblieben sind. Das Gefühl, dass sie nach Hause gehen ohne aufs Maul bekommen zu haben, fühlt sich für uns nicht richtig an. Wir denken nicht, dass es reicht, verbalen Widerspruch zu leisten.

Des weiteren kritisieren wir, dass es keine stärkere Sicherheitsstruktur gab. Über die Ordner*innen hinaus wurde zumindest offiziell kein Schutzkonzept angeboten und in der Situation selbst zeigte sich auch, dass es keins gegeben hat. Das ist nur bedingt eine Kritik an der Orga, viel mehr an der Szene und an uns Allen. Obwohl klar war, dass es auf Grund des Fußball Events und Altsachs an sich Stress geben könnte, wurde wie so oft mit einer unbedarften Haltung auf die Straße gegangen.
Sind Personen dann aber trotz mangelndem Schutzkonzept und organisierter Absprachen bereit, die Konfrontation mit Rechten und Antifeministen einzugehen, kann die Lösung dessen nicht sein, immer und überall nur „deeskalieren“ zu wollen. Das macht uns aus nicht sicherer, stattdessen nimmt es uns das bisschen Handlungsmacht und die Entscheidungsgewalt, die wir haben wollen, wenn wir „Uns die Nacht zurücknehmen“. Gegen die Präsentation als „Erfolg“ dass wir uns so „ruhig und besonnen“ verhalten hätten, und uns nicht von Pöblern hätten stören lassen, wehren wir uns. Erfolg ist es für Rechte, solche Parolen ungestraft von sich geben zu können.
Später hieß es dann, Ordner*innen hätten nicht mitbekommen, dass auch Rassistische Parolen gerufen worden seien, und hätten gedacht es handele sich „nur“ um Provokation und Gepöbel von „irgendwelchen“ Mackern. Auch hier wünschen wir uns mit Entschiedenheit, selbst entscheiden zu können, wie wir reagieren, wenn wir angepöbelt werden, und das Vorschussvertrauen, ein Bewusstsein dafür zu haben, in welchen Situationen wir uns befinden, welche Risiken wir einzugehen bereit sind, und wofür und wann es sich lohnt, Auseinandersetzungen zu führen.

Antifaschismus heißt Handarbeit, Feminismus heißt Kampfbereitschaft. Das hat uns über den starken Ausdruck, die guten Beiträge und die kämpferische Stimmung hinaus jedoch gefehlt.

Was wir und wünschen

Für uns bedeutet als Antifaschist*innen und Feminist*innen aktiv zu sein, aktiv an gesellschaftlichen Verhältnissen zu rütteln. Neben so vielem Anderem müssen wir Selbstverteidigung, offensive Gegenwehr und körperlicher Widerstand als Teil davon begreifen. Dafür braucht es Diskurse über Gewalt, Auseinandersetzungen damit wo man körperlich und mental steht und wo man hin möchte. Wir wollen FLINTA* bestärken in ihren Gruppen, Bezügen oder mit Friends diese Auseinandersetzung zu führen und trotz patriarchalem Druck, gesellschaftlichen Erwartungen und Mackern in Politgruppen und Gyms Mutig zu sein. Besucht Trainings, sprecht andere FLINTA* an, bildet euch zu dem Thema.
Zum Schluss noch eins: Trust your comrades! Wir wünschen uns gegenseitiges Vertrauen und begreifen es als Teil einer solidarischen Praxis, Verantwortung gemeinsam zu tragen und anderen verantwortungsvolles, selbstbestimmtes Handeln zuzugestehen.